Das Entree für die Insel
- Autor: Sebastian Redecke
- Fotos: Simon Menges, Ute Zscharnt
Für die Berliner Museumsinsel ist mit der James-Simon-Galerie ein neues und sehr differenziertes Eingangskonzept entwickelt worden. Das Gebäude verbindet drei der fünf Museen miteinander: das Neue Museum, das Alte Museum und das Pergamonmuseum. Später soll das Bode-Museum hinzukommen.
Die Galerie liegt am westlichen Rand der Insel zwischen Kupfergraben und Neuem Museum und erfüllt die Aufgabe mit der Freiheit ihrer baulichen Komposition im direkten Dialog mit dem Umfeld und mit großer Eleganz. Die anfängliche Sorge, dass ein vergleichsweise kleines Gebäude auf der Insel nicht passen würde, die von großen, kompakten Solitären bestimmt wird, hat sich nicht bestätigt. Mit seinen Proportionen und Abstufungen gelingt nicht nur die Einpassung an das benachbarte Neue Museum, sondern auch an das allzu wuchtige Pergamonmuseum im Hintergrund.
Betritt man den Bau vom Lustgarten an seiner Stirnseite, führt eine einladende Freitreppe hinauf in das Obere Foyer. Ein weiterer Eingang zum Unteren Foyer befindet sich auf der Längsseite in der Kolonnade vis-à-vis dem Neuen Museum. Mit den Kolonnaden ist es gelungen, vor und hinter dem Neuen Museum eine direkte Anbindung an den zentralen Bereich der Museumsinsel mit dem Kolonnadenplatz zu erreichen. Fast spielerisch gelingt es, mit den leicht wirkenden Betonstäben ein Ensemble zu bilden, das die Besucher neugierig auf Erkundungen macht, auch auf die neue Verbindung zur versteckt liegenden Säulen-„Gasse“ zwischen Neuem Museum und Pergamonmuseum.
Nach dem Eintritt in die Halle des Unteren Foyers auf Ebene 1 wird gleich links das 300 Zuhörer aufnehmende Auditorium unter der Freitreppe erreicht. Geradeaus führt der Weg über eine Treppe nach oben zur niedrigen Zwischenebene mit dem Museumsshop, der Garderobe und weiteren Servicefunktionen – alle mit französischem Walnussholz gestaltet. Zwei große Schaufenster öffnen sich zum Kupfergraben. Rechts vom Foyer gelangt man über eine Treppe auf die etwas unter Wasserkante liegende Ebene 0 mit einem offenen Ausstellungsbereich zur Geschichte der Museumsinsel. Ein mitten im Saal stehender, zehn Meter hoch aufragender Pfahl aus Fichtenholz, der zur Befestigung der Museumsinsel im schlammigen Untergrund in der Zeit von Karl Friedrich Schinkel gehörte, führt den Blick des Besuchers noch einmal hinauf zum Licht, bis dann die „Archäologische Promenade“ durch die Museen beginnt. Zum Kupfergraben hin breitet sich auf dieser Ebene der fensterlose Saal für Wechselausstellungen aus, der flexible Möglichkeiten der Gestaltung bietet.
Über die Zwischenebene erreichen die Besucher die Ebene 2 mit dem Oberen Foyer. Dieses Eingangsfoyer wird aufgrund der Freitreppe von Besuchern stärker frequentiert. Im hinteren Teil der Halle liegt der Infopoint mit Kasse. An ihrer Stirnseite weist die Halle eine Besonderheit auf. Da nur fünf Meter dahinter die mächtige Fassade des Pergamonmuseums emporragt und zu präsent gewesen wäre, hat Chipperfield eine große Glasverbundfläche als lichtdurchlässige Front mit drei Zentimeter dünnem, geschliffenem Carrara-Marmor eingefügt. Dies war sehr aufwendig, aber wie andere Sonderelemente nimmt man dies nicht wahr. Der Architekt zelebriert weiter Understatement.
Die James-Simon-Galerie löst logistische und infrastrukturelle Probleme des Museumsensembles und verwirklicht gleichzeitig eine architektonische Vision für die Museumsinsel.
Längs zum Foyer schließt das weitgehend gläserne Café als auffallend schmaler und langer Saal an, der mit vorgelagerter Terrasse entlang des Kupfergrabens weite Teile der Kolonnade einnimmt. Auf dieser oberen Ebene öffnet sich am Ende der Kolonnaden die Pforte zum schnellen Rundgang durch die Pergamonmuseum-Highlights. Diese Hochkolonnade auf der Südseite zum Kupfergraben ist schon von weitem gut sichtbar. Sie erhebt sich über dem Sockel, der, das muss kritisch angemerkt werden, etwas zu hoch ausgefallen ist und dadurch auf Passanten abweisend wirken kann. Immerhin erhielt der Sockel in einer späten Entwurfsphase noch die zwei großen Schaufensteröffnungen auf der Zwischenebene. Die Kolonnade nimmt die ganze Länge des Gebäudes auf und endet im Osten seitlich der Freitreppe, wo der Besucher auch außerhalb der Öffnungszeiten eine kleine Plattform als Ausguck mit Blick auf den Lustgarten, das HumboldtForum im Hintergrund und zurück auf die eindrucksvolle Ziegelfront des Neuen Museums aufsuchen kann. Besonders begeistert bei Chipperfield der Umgang mit den sehr reduziert verwendeten Materialien, dazu die vielen Ideen der präzisen Ausarbeitung, zum Beispiel bei den gläsernen Brüstungen mit ihren Einfassungen oder den in die Architektur eingebauten steinernen Sitzbänken. Auch der Sichtbeton, einfach bearbeitet, zeigt an allen Ecken und Kanten Perfektion. Er harmoniert mit den Böden aus hellem Muschelkalk. Die schlanken Kolonnaden sind Betonfertigteile mit Marmorzuschlag. Hoch oben hängen als Heiz- und Kühldecke Platten aus feinmaschigem Kupferdraht. Im Auditorium entschied man sich für kerngeräuchertes Eichenholz.
Ein neuer Baustein der Insel ist abgeschlossen. Die JamesSimon-Galerie fügt sich wie selbstverständlich in das Gesamtbild ein. Mit dem Auditorium, dem Saal für Wechselausstellungen, den offenen Foyerbereichen und den neu entstandenen zwei Plätzen mit ihren Kolonnaden am Unteren Eingang und oben an der Freitreppe mit Ausguck und Café wird sie sich immer mehr zu einem Ort der Begegnung entwickeln. Mit der Feierlichkeit der Kolonnaden setzt sie als moderne Agora ein Zeichen.
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Das Entree für die Insel
Architekten
David Chipperfield Architects,
Joachimstraße 11, 10119 Berlin
http://www. davidchipperfield.com
David Chipperfield Architects wurde 1985 in London gegründet. Weitere Standorte folgten in Berlin, 1998, Shanghai, 2005, und Mailand, 2006. Zu den Bauaufgaben zählen Kultur, Wohn, Gewerbe und öffentliche Projekte sowie Masterpläne und Inneneinrichtung. Mit David Chipperfield Design realisiert er auch Produkte und Möbel. Seit 2014 ist er art director des italienischen Möbelherstellers Driade. Er lehrte Architektur an internationalen Universitäten und kuratierte 2012 die 13. Internationale Architekturbiennale in Venedig. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise.
Projekte (Auswahl)
2019 West Bund Museum, Shanghai
2020 Mughal Museum, Agra, Indien
2020 Grundinstandsetzung Neue Nationalgalerie, Berlin
2020 Kunsthaus Zürich
2021 Morland Mixité Capitale, Paris